Mann oh Mann! Was hatte ich vor dieser Etappe Respekt, ja fast schon ein wenig Angst davor, dass ich sie nicht schaffe. Aber erstens kommt es anders und zweitens als man denkt! Heute ist so viel geschehen, dass mein Reisetagebuch um zwei statt der normal üblichen einen Seite gefüllt wurde. Aber der Reihe nach und hab Ausdauer, der Bericht wird etwas länger sein wie gewohnt!
Nachdem ich um 7 Uhr aufgestanden bin und etwas frühstückte, habe ich meine Siebensachen zusammengepackt. Dann nahm ich meinen Anhänger und stellte fest, dass keine Luft mehr im Pneu war! Zum Glück lag es nur am Ventil. So fuhr ich gegen 7:45 Uhr los. Auf den ersten Kilometern fuhr ich auf einer Nebenstrasse, wunderschön aber ziemlich steil. So stieg ich vom Fahrrad ab und schob es (ohne Anhänger wäre ich locker hochgefahren….). Da kam von hinten ein amerikanisches Auto aus dem Staate Washington und hielt an. Der Typ sprach mich auf englisch an und sagte, dass er meine Schweizerfahne gesehen habe. Er fahre jetzt zu einem Freund, welcher nur etwa einen Kilometer weiter wohne und der sei Schweizer. Er werde ihm mitteilen, dass da Schweizer am radeln sei. So weit so gut und er fuhr davon. Zwei Kilometer weiter stand dann tatsächlich ein Mann mit seinem Sohn am Strassenrand und sprach mich mit „Grüezi“ an! Wir haben dann etwa 10 Minuten geplaudert. Er ist vor ca. 1.5 Jahren mit seiner ganzen Familie inkl. Mutter ausgewandert und arbeitet bei seinem Bruder, welcher schon länger in Abbotsford lebt. Zum Schluss lud er mich ein bei ihm vorbei zu schauen, falls ich nicht den Berg hochkäme. So schön und erstes Wow!


Den Berg hochgekommen bin ich. Das grösste Problem war, dass ich auf dem Highway fuhr. Das ist legal und auf den Highways hat es auch immer wieder Hinweise auf Velofahrer. Zudem war der Verkehr enorm. Erstaunt haben mich nicht die Anzahl der Autos, sondern die der Lastwagen am Ostersonntag. Von Stahlträgern über Milch und Holz wird an einem Sonntag alles transportiert. Diese Lastwagen sind ja oft etwa eine Schuhnummer grösser wie bei uns. Es hätte noch einen anderen Weg gegeben, aber den kannte ich nicht so genau und mit meinem schweren Anhänger wollte ich dies nicht riskieren. Einen kanadischen Highway muss man sich vorstellen wie bei uns eine 2-3 spurige Autobahn. Der Pannenstreifen ist dann der Veloweg, nur ist der meist schmaler. Wenn dann an der Seite noch Beton-Leitplanken (siehe Beitragsbild ganz oben) stehen, bleibt nicht mehr viel Platz zwischen Fahrzeug und Velofahrer. Aber, die Fahrer sind meist sehr rücksichtvoll und vor allem die Lastwagen wechseln meist sogar die Spur! Es kann aber auch sein, dass ein PW mit 120 Sachen an einem vorbeirauscht.



Nach knapp sechs Stunden Fahrzeit kam ich auf dem Summit (bedeutet Gipfel, meint in diesem Fall die Passhöhe) auf ~1240m.ü.M an. Eigentlich wollte ich hier zelten. Allerdings habe ich schon beim hochfahren auf den Pass bemerkt, dass dies vermutlich nicht geht, da noch viel zu viel Schnee neben der Strasse liegt. Darum fuhr ich weiter und überlegte, was ich tun soll. Beim nächsten Hinweis auf eine Recreation Area (Erholungsplatz) entschloss ich mich, dorthin zu fahren. Da das Schild mit Essen/Trinken und Toilette angeschrieben war, erwartete ich ein kleines Restaurant. Was habe ich angetroffen: Ein Fahrzeug, welches Essen und Trinken verkauft und eine Toilette mit einem kleinen Aufenthaltsraum und ziemlich viel Platz ringsum. Mein erster Gedanke war weiter zu fahren, wohlwissend, dass ich es nicht nach Merritt schaffen würde (meine morgige Etappe). Darum sprach ich zwei Pickup-Fahrer an mit der Frage, ob sie mich und mein Gepäck nach Merritt mitnehmen würden. Der eine hatte sein Fahrzeug schon voll und der andere fuhr in die falsche Richtung. Zum Glück, denn es kam viel besser!

OK, hier kann ich aber sicher zelten, so mein Gedanke. Vor der Toilette stand ein öffentliches Fahrzeug und die Fahrerin daneben (und die war dann wirklich hübsch….!). Also quatschte ich sie an und fragte sie, ob ich hier zelten darf. Sie verwies mich dann an den Eigentümer des Foodtrucks, er sei so quasi der Chef hier auf dem Platz. Dieser teilte mir dann mit, dass das überhaupt kein Problem sei. Aber ich solle doch in den kleinen Aufenthaltsraum bei den Toiletten gehen, dort habe es ausreichend Platz und es sei erst noch wärmer und ruhiger in der Nacht (hier parken auch Lastwagen über Nacht und diese lassen teilweise ihre Motoren laufen). Zweites Wow!


Kurz danach wurde ich von einem jungen Typen angesprochen. Es stellte sich heraus, dass er Brasilianer ist und Robson heisst, in Vancouver studiert und in einem Motorhome wohnt, denn das sei günstiger wie eine Wohnung in Vancouver und er sei erst noch völlig unabhängig. Völlig fasziniert von meinem Trip teilte er mir mit, dass er eine Velo-Weltreise machen wolle, sein Studium aber vorginge. Ich sei sein Vorbild und er bewundere mich. Drittes Wow! Ich habe ihn dann eingeladen, falls er auf seine Weltreise ginge, bei mir zu Hause vorbei zu kommen.


Dass ich diesen Bericht zum jetzigen Zeitpunkt schon schreiben und veröffentlichen kann, hätte ich übrigens nicht erwartet. Aber es scheint so, dass man im Aufenthaltsraum neben einer öffentlichen Toilette WLAN haben muss. Mir soll’s recht sein!
Tagesstrecke [km] | Tageshöhe [m] | min. Temp. [°C] | Fahrzeit [h] |
55.44 | 1306 | 5 | 6:17:35 |
Gesamtstrecke [km] | Gesamthöhe [m] | max. Temp. [°C] | ø-Geschw. [km/h] |
251.55 | 2526 | 21 | 14.7 |
Lieber es freut mich, dass so schöne Sachen erlebst. Weiterhin viel Erfolg.lg Imelda