Ich weiss gar nicht richtig, wie ich den Freitag beschreiben soll. Ich bekam so viel Herzlichkeit und Wärme geschenkt von Leuten, welche ich bis dato nicht kannte – unglaublich! Aber beginnen wir der Reihe nach.
Nach dem Morgenessen um etwa halb neun Uhr machte ich mich eine Stunde später auf den Weg. Dieser Weg führte mich zuerst in den Sleeping Giant Provincial Park. Dieser Park ist auf einer Halbinsel im Lake Superior, welche in Nord-Süd-Richtung ausgerichtet ist. Diese Halbinsel ist fast 100%ig bewaldet. Etwa in der Hälfte überlegte ich mir umzukehren. Wald ist schon schön, aber irgendwann sieht man vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr. Ich fuhr aber weiter, zum Glück. Richtig schön wurde es nämlich am südlichsten Punkt dieser Insel. Dort gibt es Überreste einer Silbermine bzw. stehen dort noch jetzt Häuser, welche bewohnt sind. Diese Häuser stehen meist nur wenige Meter neben dem See und Verkehr gibt es dort keinen. Kam natürlich hinzu, dass ich unglaubliches Wetterglück hatte. Das Wasser glitzerte in einer wahren Pracht, ich konnte mich kaum satt sehen.


Die Fahrt bis nach Nipigon war dann wirklich nichts Aussergewöhnliches. Eine Schnellstrasse eben, meist links und rechts von Wäldern begrenzt. Der Verkehr hielt sich in Grenzen. In Nipigon (ein Dorf mit ca. 1700 Einwohnern) machte ich dann eine kleine Pause in einem Tim Hortons, denn die Auswahl war wirklich nicht gross. Ich sass knapp eine Dreiviertelstunde in diesem Schnellimbiss und es war unglaublich, wie viele Leute hier etwas konsumierten. Da war richtig etwas los!


Danach fuhr ich weiter und jetzt wurde die Strecke richtig schön. Die Strasse schlängelte sich jetzt dem Lake Superior entlang. In diesem Bereich heisst der See Nipigon Bay. Gut 30km nach Nipigon sollte gemäss Airbnb mein Ziel sein. Ich wusste, dass mein Ziel keine eigene Adresse hat und mein Host hatte mir geschrieben, dass GPS-Geräte die Adresse nicht immer finden würden. So war es dann auch bei mir. Ich fuhr dorthin, wo mich mein Gerät führte und das teilte mir mit: «Biegen sie rechts ab». Die Strasse führte mich dann zu einem Haus, bei welchem in anklopfte. Es kam dann eine Frau heraus, welche ich fragte, ob sie meinen Host Susan kenne und wenn ja, wo diese wohne. Sie sei gerade heute in dieses Haus gezügelt und kenne sie leider noch nicht, war ihre Antwort. Es habe aber noch eine weitere Querstrasse, welche nur etwa 300m weiter sei, ich solle es doch dort versuchen.

Das machte ich dann auch und traf auf mehrere Häuser. Bei einem der ersten Häuser sah ich eine Frau draussen arbeiten und darum hielt ich. Sie stellte sich als Tracy vor und ja, sie kenne meinen Host Susan, denn das sei ihre Schwägerin und wohne zwei Häuser weiter. Also fuhr ich dorthin und stellte mein Auto ab. Ich stieg aus und wurde umgehend von Mike begrüsst. «You must be Urs!» begrüsste mich der Mann von Susan. «Would you like to drink a beer with me?». Klar wollte ich! Nach einem kurzen Gespräch führte er mich herum und zeigte mir alles, auch meine Unterkunft. Aber seht euch einfach die zwei Filme an. Diese Gegend ist ziemlich einsam, nach Ost und nach West je etwa 30km bis zum nächsten Dorf. An Schönheit (vor allem bei diesem Wetter) aber kaum zu überbieten.
Ich holte dann mein Gepäck und bereitete mir kurz nach 17 Uhr Teigwaren mit Bohnen als mein Nachtessen zu. Da ich den ganzen Tag erst wenig gegessen hatte, knurrte mein Magen ziemlich. Danach ging ich wieder raus um die Sonne zu geniessen. Da kam Mike auf mich zu und teilte mir mit, dass er Würste auf dem Grill habe und ich diese unbedingt probieren müsse. Er gab mir dann ein Stück gegrillte Hirschwurst und die war wirklich lecker. Nachdem ich probiert hatte, schickte er mich in die Stube. Dort sass schon seine 87-jährige Mutter sowie Tracy mit ihrem Mann. Später kam dann auch noch Susan mit ihrem Neffen Norman dazu. Natürlich bekam ich auch noch ein Glas Wein dazu und später gab es noch ein tolles Dessert, welches Norman’s Grosmutter gemacht hatte. Ich fragte dann die ältere Dame, wie das Dessert heisse. Es heisse einfach Dessert, es habe keinen anderen Namen, war ihre Antwort und es habe schon immer so geheissen. Lustig! Am Schluss wurde mir dann noch ein Brandy serviert.
Dieser Ort ist übrigens genau so unglaublich schön wie der schon beschriebene am Südzipfel des Sleeping Giant Provincial Park, ein wenig wie der Himmel auf Erden. Wenn da nur die Moskitos und Blackflies nicht wären. Solange der Wind wehte, waren sie kein Problem. Später bewegte ich mich draussen nur noch mit einer Jacke und mit Hut.
Gegen 20 Uhr machte Mike dann ein Feuer direkt am See. Hier plauderten Mike, Susan und ich noch ziemlich lange. Natürlich sass ich auch hier nicht auf dem Trockenen, denn Mike brachte mir noch ein Glas Rum. Am Schluss verabschiedeten wir uns mit einer herzlichen Umarmung. Ich bin unendlich dankbar, so nette und liebenswerte Menschen kennengelernt zu haben. Was für ein Privileg!




Autostrecke: 230km